Antworten der SPD auf die Wahlprüfsteine des Bundesverbandes

Antworten der SPD auf die Wahlprüfsteine des Bundesverbandes

Im Rahmen der Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 hat der Bundesverband für selbständige Wissensarbeit e.V. den Parteien verschiedene Fragen rund um das Thema Selbständigkeit zukommen lassen. Hier finden Sie die Antworten der SPD.

1. Selbständige und Unternehmen klagen über mangelnde Rechtssicherheit beim Einsatz von qualifizierten Freelancern aufgrund von Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung. Welche Änderungen planen Sie, um mehr Rechtssicherheit herzustellen?

Mit den neuen gesetzlichen Regelungen haben wir das Statusfeststellungsverfahren vereinfacht und Klarheit geschaffen. Bisher konnte die Clearingstelle der DRV Bund nicht isoliert darüber entscheiden, ob eine Beschäftigung vorliegt. Vielmehr musste sie die Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung feststellen. Dies führt zu einem erheblichen Aufwand sowohl bei der Clearingstelle als auch bei den Beteiligten. Eine Vielzahl von Angaben müssen gemacht und Nachweise erbracht werden. Künftig wird die Clearingstelle nur noch über den Erwerbsstatus Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit als Element einer möglichen Versicherungspflicht entscheiden (sog. Elementenfeststellung). Dadurch wird das Verfahren vereinfacht und beschleunigt und die Beteiligten sowie die Verwaltung von bürokratischem Aufwand entlastet. Bisher wird das Statusfeststellungsverfahren auch erst nach Aufnahme der Tätigkeit durchgeführt. Denn für die Beurteilung des Erwerbsstatus ist das tatsächlich gelebte Vertragsverhältnis entscheidend. Jetzt können die Vertragsbeteiligten schon vor Aufnahme der Tätigkeit (Prognoseentscheidung) den Erwerbsstatus feststellen lassen und erhalten damit frühzeitiger als bisher Rechtssicherheit. Will man bisher bei mehreren Auftragsverhältnissen, die aufgrund einheitlicher Vereinbarungen durchgeführt werden, den Erwerbsstatus klären, muss ggf. für jeden Auftrag ein gesondertes Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Künftig sollen Gruppenentscheidungen möglich sein. Dazu soll für gleiche Auftragsverhältnisse mittels einer gutachterlichen Äußerung frühzeitig Klarheit über den Erwerbsstatus gewährt werden. Voraussetzung für die Beantragung einer gutachterlichen Äußerung ist, dass in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus entschieden wird. Eine Gruppenfeststellung kommt dann in Betracht, wenn entweder Auftraggeber und Auftragnehmer identisch sind oder wenn ein Auftraggeber gegenüber unterschiedlichen Auftragnehmern im Wesentlichen einheitliche Bedingungen für eine Vielzahl von Auftragsdurchführungen vorgibt und diese weitgehend identisch umgesetzt werden. Diese gutachterliche Äußerung ist Grundlage für Vertrauensschutz. Eine abweichende Entscheidung über den Erwerbsstatus im Einzelfall ist dann nur für die Zukunft möglich, vorausgesetzt der Auftragnehmer war in der Vergangenheit auf andere Weise sozial abgesichert. Die Gruppenfeststellung trägt zum Abbau von Bürokratie bei, da weniger isolierte Verfahren notwendig sind. Zum Zweck der Erprobung wird sie auf fünfeinhalb Jahre befristet. Wenn bisher beispielsweise ein Dienstleister einem Unternehmen projektbezogen einen (vermeintlich) selbständigen Experten zur Verfügung gestellt hat, es sich also um ein Dreiecksverhältnis handelte, konnte dies nicht abschließend in einem Statusfeststellungsverfahren geklärt werden. Bisher möglich war dies für ein Verhältnis von zwei Beteiligten, also einem Auftraggeber und Auftragnehmer. So mussten dann zwei Verfahren durchgeführt werden. Künftig soll es deshalb eine umfassende Prüfkompetenz der DRV sowie ein Antragsrecht für am Auftragsverhältnis beteiligte Dritte geben, sofern diese als Arbeitgeber in Betracht kommen. Bisher erfolgt das Statusfeststellungsverfahren ausschließlich schriftlich. Entscheidungen der Clearingstelle finden deshalb häufig wenig Akzeptanz. Bei den Betroffenen entsteht der Eindruck, dass keine Würdigung der individuellen Gegebenheiten, sondern eine pauschale Beurteilung erfolgte und die Art der Tätigkeit nicht verstanden wurde. Dies gilt insbesondere für „neue Erwerbsformen“, wie dem projektbezogenen Einsatz von Spezialisten. Künftig können die Beteiligten eine mündliche Anhörung im Widerspruchsverfahren beantragen.

 

 

2. Vor dem Hintergrund der gegenwärtig unklaren Rechtsprechung und Gesetzeslage zur Statusfeststellung sind unangemessen hohe Sanktionen der Sache nach unangebracht und unverhältnismäßig. Planen Sie dieses Missverhältnis zu beheben?

Mit den nun umgesetzten gesetzlichen Änderungen haben wir bereits mehr Rechtsklarheit geschaffen. Hierzu sind auch die Ausführungen zu Frage 1 zu beachten. Bei Rechtsstreitigkeiten geht es auch immer wieder um Missbrauchsfälle und hier benötigt man Sanktionen, um diejenigen zu schützen, die sich an die gesetzlichen Regelungen halten.

 

 

3. Die Regierung hat gerade das Statusfeststellungsverfahren nach §7a SGB IV reformiert. Leider wurde hierbei eine dringend notwendige inhaltliche Anpassung nicht umgesetzt. Halten Sie eine inhaltliche Anpassung an die modernen Arbeitswelten für erforderlich? Falls ja, wie wollen Sie dies umsetzen?

Wir setzen uns auch weiterhin für eine Weiterentwicklung und Anpassung an die modernen Arbeitswelten ein. Dazu tragen auch die in Frage 1 aufgeführten Änderungen bei. Insbesondere die Möglichkeit, dass die Beteiligten eine mündliche Anhörung im Widerspruchsverfahren beantragen können, ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Denn bisher fanden die ausschließlich schriftlichen Entscheidungen der Clearingstelle, ob eine abhängige Beschäftigung vorlag oder nicht, wenig Akzeptanz. Oft besteht bei den Betroffenen der Eindruck, dass keine Würdigung der individuellen Gegebenheiten, sondern lediglich eine pauschale Beurteilung erfolgte und die Art der Tätigkeit nicht verstanden wurde. Gerade dies war insbesondere bei „neuen Erwerbsformen“, wie dem projektbezogenen Einsatz von Spezialisten der Fall. Aber für uns gilt es zu bedenken, dass es bei allen – möglicherweise aus Ihrer Sicht auch notwendigen –Anpassungen immer auch um einen Kompromiss zwischen der Flexibilität neuer Arbeitsformen und der sozialen Absicherung der Beschäftigten geht. Hierfür setzen wir uns weiter entschieden ein.

 

 

4. Wie ist die Position Ihrer Partei zur Altersvorsorge von Selbständigen und welche Differenzierungen hinsichtlich der heterogenen Gruppen von Selbständigen gedenken Sie dabei vorzunehmen?

Ehemals Selbständige sind auch nach langjähriger Erwerbstätigkeit im Alter überproportional auf die Grundsicherung angewiesen. Deswegen wollen wir den sozialen Schutz von Selbständigen, die bisher in keinem Alterssicherungssystem abgesichert sind, verbessern. Ziel ist, dass eine langjährige Erwerbstätigkeit zu einer Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen muss. Dazu bringen wir für Selbstständige eine Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Weg. Konkrete Details bezüglich einer Differenzierung von Selbstständigen werden wir im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens prüfen.

 

 

5. Sofern sich Ihre Partei für eine Altersvorsorge von Selbständigen ausspricht, inwiefern planen Sie im Rahmen einer etwaigen Gesetzgebung die bestehenden Vorsorgeanstrengungen Selbständiger im Sinne eines „Bestandsschutzes“ anzuerkennen?

Wichtig ist uns, die Altersvorsorge für Selbstständige gründerfreundlich auszugestalten, beispielsweise durch reduzierte Beiträge zu Beginn der Selbstständigkeit. Wir werden die Einbeziehung der Selbstständigen auch mit großzügigen Übergangsfristen ausgestalten. Personen, die anderweitig auf dem Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert sind und kurz vor der Rente stehen, werden ausgenommen. Die Übergangszeiten werden doppelte Belastungen verhindern und Rechtssicherheit herstellen.

 

 

6. Planen Sie die Belastungen, die Erwerbstätigen und Unternehmen durch rechtliche und bürokratische Rahmenbedingungen entstehen, in der Zukunft zu verringern und diejenigen Bereiche, die ein Hemmnis für Innovationskraft darstellen, konkret zu reduzieren?

Als eine wichtige Maßnahme wollen wir beispielsweise die Gebühren für Meister- und Technikerkurse abschaffen. Das Handwerk muss in dem Bemühen unterstützt werden, mit neuen Ausbildungskonzepten dem Fachkräftemangel zu begegnen. Wir wollen Deutschland aber auch zu einem führenden Start-up Standort in Europa machen und den Gründergeist stärken. Es soll eine One-Stop-Agentur für GründerInnen geben und einen erleichterten Zugang zu Projektförderung sowie einen öffentlichen Fonds für Wagniskapital. Wichtig ist auch eine Kultur der zweiten Chance im Insolvenzrecht.

 

 

7. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um das Ansehen der Selbständigen zu stärken und ihre wichtige Funktion für die deutsche Wirtschaft stärker herauszustellen?

Nach unserem Eindruck genießen Selbstständige bereits ein hohes Ansehen, ob etwa als Handwerkerin, Architekt oder Anwältin. Wo darüber hinaus noch konkret notwendig werden wir die Rahmenbedingungen für Selbstständigkeit im engen Dialog mit den jeweiligen Kammern und Verbänden weiterentwickeln und verbessern. In unserem Zukunftsprogramm bekennen wir klar uns dazu, ein Klima zu schaffen, das Selbständigkeit prositiv aufnimmt und unterstützt.

 

 

8. Wie bewerten Sie die Bestrebungen auf europäischer Ebene zur Regulierung der Arbeitsbedingungen auf digitalen Plattformen und welche Maßnahmen halten sie auf nationaler Ebene hier für notwendig?

Die SPD fordert mehr Transparenz und die Einführung von Melde- und Statistikpflichten. Bisher bestehen keine amtlichen Statistiken mit Informationen zur Bedeutung und Entwicklung von Plattformarbeit. Die vorliegenden empirischen Studien können bislang lediglich erste indikative Ergebnisse liefern. Wir wollen die Datenlage zur Plattformökonomie verbessern und spezifische Informationen zur Bedeutung und Entwicklung der Plattformökonomie verfügbar machen. Denn gerade die Plattformökonomie ist ein wichtiges Geschäftsmodell der digitalen Transformation. Deshalb setzen wir uns für Transparenz- und Meldepflichten für alle Plattformbetreiber auf EU-Ebene gegenüber einer öffentlichen Behörde ein und bitten die EU-Kommission (KOM), hier aktiv zu werden. Dank der meist voll digitalisierten Geschäftsprozesse bei Plattformen lassen sich solche Regelungen bürokratiearm ausgestalten und umsetzen.

 

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